Die Bergrettung von 1956 bis 1960
1956
Drei Gebrüder Krebs stürzten am Rädlergrat tödlich ab
Das wohl schwerste Bergunglück, das Oberstdorf je betroffen hat, fordert im September drei Opfer. Die Brüder Martin (21), Walter (19) und Richard (18) Krebs von hier stürzen am Südwestgrat (Rädlergrat) des Himmelhorns tödlich ab. Zwölf Bergwachtmänner tragen die Krebs-Brüder zu Grabe.
(VSV, Heft 50 / 2007S.1904, Eugen Thomma)
Anderl Heckmair jun. Abgestürzt
Bei Kletterversuchen, die er mit einigen Kameraden im Tiefenbacher Gebiet in der Nähe des Hirschsprungs durchführte, stürzte am Sonntag, 14.10.1956, der 15jährige Sohn Andreas des bekannten Bergführers Anderl Heckmair ab. Mit erheblichen Verletzungen wurde Anderl Heckmair junior in die gleiche Privatklinik eingeliefert, in der sein Vater der Genesung von ebenfalls bei einem Absturz erlittenen Verletzungen entgegensieht.
Bergung durch: Math Günther, Stefanz Robert, Wägele Josef, je eine Stunde
Funkgeräte vom Luftfahrtbundesamt
Das Luftfahrtbundesamt Braunschweig hat dem Referat für Flugzeugunfälle im Gebirge 2 kompl. Funkgeräte zur Verfügung gestellt. Davon wird nun eines an die BW-Oberstdorf zur Erprobung gegeben.
(„Die Bergrettung in Bayern“ Band II, S. 119)
Leistungsvergleich Funkgeräte
Teleport IV Sendeleistung 0,5 W, Gewicht 5,5 kg, vor 1958
Teleport V Sendeleistung 0,5 W, Gewicht 4,0 kg, ab 1958
Teleport VI Sendeleistung 1,0 W, Gewicht 1,6 kg, ab 1963
GP900-11b Sendeleistung 1,0 W, Gewicht 0,532 kg, ab 1997
Motorola
Pazifisten
Aus einem Rundschreiben des Bergwachtabschnitts Allgäu geht hervor, dass im Bergwachtdienst auf keinen Fall Schusswaffen mitgeführt werden dürfen.
Bergunfall Gebrüder Krebs
Morphium zur Schmerzlinderung
Sondergenehmigung für Sondersignal
Lawinenunglück an der Torspitze (Kleinwalsertal)
1957
Errichtung einer alpinen Auskunfts- und Unfallmeldestelle
Mit Schreiben vom 26.01.57 richtet die Bergwacht Oberstdorf an den Gemeinderat von Oberstdorf das Ansinnen, im ehemaligen Kiosk Sehrwind im Gemeindewohnhaus, Oststr. 43, der schon längere Zeit leer steht, eine alpine Auskunfts- und Unfallmeldestelle einzurichten.
„Es ist beabsichtigt vorerst in den Saisonen jeweils Samstag und Sonntag, also über das Wochenende, diese Auskunftsstelle zu besetzen. In Zusammenarbeit mit dem gemeindlichen Verkehrsamt, Klimastelle, Skiclub, Alpenverein, Bergführer und Skilehrer dürften wir immer in der Lage sein, die verlangten Auskünfte zu erteilen.“
Dieses Schreiben wurde auch an Herrn Kurdirektor Fritz Geiger gesandt.
Bergführer Kaspar Schwarz
Hilfeleistungen des Bergführers Kaspar Schwarz, *30.10.1909, +15.08.1991
Der Autor, Eugen Thomma, berichtet, was er selbst erlebte:
„Ich habe selbst erlebt, wie er 1957 einen verunglückten, schwer verletzten Bergsteiger an der Trettach-Westwand aus dem „Schwarzen Riß“ geborgen hat. Seine Gewandtheit, seine ruhige und sichere Seilarbeit – das war eine Meisterleistung. Ohne Aufhebens über eine solche Rettungstat zu machen, ging er seinem Beruf nach; zu helfen war ihm eine Ehrenpflicht.
(VSV, Heft 43 / Dezember 2003, S.1530, Eugen Thomma)
Totenbergung am 27.07.1957 von Hans Schöll, Kierwang, an der Kleinen Höfats, Oberloch.
Hier der Verweis auf die Person Ludwig (Wiggerl) Gramminger vom Referat Bergwacht, dem ewigen Tüftler zur Verbesserung der Rettungsgeräte, insbesondere auch des Stahlseilgerätes, das auch bei der Bergwacht Oberstdorf oft zum Einsatz kam:
Es betrifft die Bergung aus der Eiger-Nordwand, in Heft DIE BERGWACHT des Bayerischen Roten Kreuzes im Jahre 1957/58:
Am Freitag, dem 09. August 1957, bei den Frühnachrichten, begann die Geschichte dieser Bergung. Wiggerl Gramminger hörte am Rundfunk die Mitteilung, dass in der Eiger-Nordwand sich vier Bergsteiger in Bergnot befinden und dass eine Rettung dieser Leute aussichtslos sei. Da es für Wiggerl Gramminger das Wort „aussichtslos“ nicht gibt, ließ er sich vom Bayerischen Rundfunk die ausführliche Meldung wiederholen und setzte sofort alle Hebel in Bewegung, um in dieser Angelegenheit etwas zu unternehmen. Vor allen Dingen holte sich Wiggerl die Genehmigung der zuständigen Schweizer Stellen ein, um überhaupt eine Bergungsaktion starten zu können.
Verkürzt: Er bekam die Genehmigung, leider klappte ein Flug von Altenrhein nach Grindelwald nicht, also ging es mit dem VW-Kombi nach Grindelwald, wo man gegen 2 Uhr eintraf und Schwierigkeiten hatte, Quartier zu bekommen.
Am frühen Morgen ging es mit der ersten Bahn – am Bahnhof traf man noch den bekannten Alpinisten Ricardo Cassin- bergwärts. Cassin schloss sich der BW-Gruppe an, wie eine Gruppe polnischer Bergsteiger. Die Bahnfahrt ging bis Station Eigergletscher. Die Lasten wurden verteilt, insbesondere das bereits bewährte Stahlseil. Ferner beteiligte sich an der Bergungsaktion noch der bekannte französische Bergführer aus Chamonix, Lionel Terray, und dessen holländischer Gast, die bereits den letzten Gipfelhang des Eigers bestiegen. Auch eine freiwillige Schweizer Rettungsmannschaft stieß vom Jungfraujoch über Mönch- und Eigerjoch hinzu. Der Anstieg, so Wiggerl, gestaltete sich schwierig. Die ersten erreichten nach 6 Stunden den Eiger-Gipfel. Da befand sich bereits der Franzose Terray und eine kleine Gruppe der Schweizer, die vom Jungfraujoch kamen. Mit der Anbringung der Verankerung und einer ersten Tiefen-Erkundung von ca. 100 m wurde begonnen. Es ging bereits gegen Abend zu und eine Biwakgelegenheit für viele Leute wurde auf dem Eiger-Gipfel eingerichtet. In den schmalen Biwaklöchern wurde die kalte Nacht auf fast 4.000 m durchstanden. Am Morgen wurden die Vorbereitungen zur Bergung beendet und Wiggerl Gramminger bestimmte, dass Alfred Hellepard, als erster zu den in Bergnot befindlichen Kameraden absteigen soll. Im unerschütterlichen Vertrauen in Wiggerl’s Sicherheits-Umsicht und dem Schweizer Erich Friedli (Friedli-Winde), der noch Anweisungen zur Funkverbindung gab, ging es ca. 350 m am Stahlseil in die Eiger-Norwand. Während eines kurzen Funkanrufts von Friedli hörte Alfred Hellepard plötzlich eine menschliche Stimme, trotz dem hohlen Heulen und Singen des Windes. Lt. Hellepard: „Er befand sich ca. 20 m von mir entfernt und winkte mir mit der Hand zu. Ich gab sofort per Funk durch, dass ich einen Mann gefunden habe. Dann rief ich ihn an, und er sagte mir seinen Namen: Claudio Corti. Seine erste Frage war nach einer Zigarette. Leider hatte ich keine einzige dabei und da er auch nach Essbarem verlangte, warf ich ihm aus 2 m Entfernung eine halbe Tafel Schokolade zu, welche er heißhungrig ergriff und sofort zu essen begann“.
Corti war nur leicht verletzt, sein Freund Lonhghi hing 100 m unter ihm im Seil und von den beiden Deutschen Bergsteigern war nichts zu sehen. Der Bergretter Hellepard packte Corti in den Gramminger-Sitz und stemmte sich unter Stahlseilzug nach oben, was unter größter Kraftanstrengung aller Beteiligten gelang. Auf dem Eiger-Gipfel angekommen, wurde unverzüglich begonnen, den Geretteten über die Westflanke zur Station Eigergletscher zu bringen. Dies was die erste Lebendrettung aus der Eiger-Nordwand, zu verdanken der Hartnäckigkeit von Ludwig Gramminger!
30. Mai 1957, große Hubschrauberübung am Nebelhorn
„Lue, do kut’r ja, dr Schraubhuber“ – Nur eine knappe halbe Stunde war inzwischen seit dem Anruf vergangen, da setzte der amerikanische Hubschrauber vom Typ „Bell“ in unmittelbarer Nähe der Seealpe auf. Staimer und sein Bergwachtkollege machten sich sofort daran, links und rechts des Führerhauses zwei Akjas zu montieren. In diesen vielfach bewährten Rettungsgeräten der Bergwacht sollten zwei Bergsteiger Platz finden, die sich bei einem Absturz von den Wengenköpfen verletzten.
Zum ersten Male sollte hier in Deutschland dieses „Mädchen für alles“ eingesetzt werden.
( „Die Bergrettung in Bayern“ Band II, S. 130)
Das muss ja ein Quantensprung gewesen sein
Bergführer Kaspar Schwarz mit schwerer Last unterwegs zu seiner Hütte, dem Waltenberger Haus, 1957
1958
Die INTERNATIONALE KOMMISSION FÜR ALPINES RETTUNGSWESEN tagt am 18./19. Oktober 1958 in Olten (Schweiz). Alle Länder waren vertreten, und der Präsident der IKAR, Herr Dr. Campell, konnte die Vertreter von Frankreich, Italien, Jugoslawien, Österreich, der Schweiz, Südtirol und Deutschland begrüßen. Herr Dr. Wyss-Dunant von der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA) war ebenfalls anwesend.
Zu Beginn der diesjährigen Sitzung erstattete Herr Dr. Campell den Tätigkeitsbericht für 1957/58, dem zu entnehmen war, dass die Gerätekommission wertvolle und gewissenhafte Arbeit geleistet hatte. Sie überprüfte in sachlicher Weise alte und neue Rettungsgeräte. Die Mitglieder dieser Subkommission haben sich nach gründlichem Studium und freundschaftlicher Aussprache über die Konstruktion und Bedienung der Rettungsgeräte geeinigt. Es ist von großer Wichtigkeit zu wissen, dass bei Katastrophen, wenn Mannschaften verschiedener Länder anwesend sind, aufgrund der gleichen Geräte dieselben jederzeit in der Lage sind, ohne Anlaufzeit zusammen zu arbeiten und sich zu ergänzen. Es ist das Bestreben der IKAR, diese Koordination weiter zu entwickeln und zu vertiefen.
(DIE BERGWACHT des Bayerischen Roten Kreuzes im Jahre 1958/59)
INTERNATIONALE PRÜFUNGEN IM PARSENNGEBIET
Anlässlich des 3. Internationalen Kongresses für Ski – Traumatologie in Davos wurden vom 13. April bis 16. April 1958 im Parsenngebiet Prüfungen des Rettungsmaterials und der Arbeit der Mannschaften der Organisationen, die sich mit dem Sanitäts- und Rettungsdienst in der Bergen befassen, durchgeführt.
Als Vertreter der Bergwacht des Bayerischen Roten Kreuzes waren in Davos der Vorstizende des Bergwacht-Landesausschusses, Herr Georg Schwarzmann, Kempten, der stellv. Vorsitzende, Herr Alfred Buchberger, München, sowie die beiden Bergwachtreferenten Frantz und Gramminger. Zu den Prüfungen wurden durch den Landesausschuss der Bergwacht zwei Mannschaften entsandt:
Mannschaft 1: Karl Maier, Berchtesgaden, Dieter Opitz, Ruhpolding.
Mannschaft 2: Günther Math und Alfred Wimmer, beide Oberstdorf.
Die beiden Mannschaften, die mit Akja, Streckschienen und weiterem Material ausgerüstet waren, zeigten bei der Versorgung des Verletzten und beim Abtransport auf allen drei Strecken eine hervorragende Leistung; beide Mannschaften erhielten die Goldmedaille.
Neben der einwandfreien Beherrschung des Rettungsgerätes und einer Verletztenversorgung mit Unterschenkelfraktur mussten folgende drei Abfahrtsstrecken bewältigt werden:
Strecke A: 2,5 km, 450m Höhendifferenz (Weißfluhjoch-Höhenweg).
Strecke B: 4,5 km, 1.000 m Höhendifferenz (Weißfluhjoch über Meierhofertöbeli
nach Wolfgang).
Strecke C: 5,5 km, 1.200 m Höhendifferenz (Weißfluhgipfel über Meierhofertäli-
Steilhang nach Wolfgang).
(DIE BERGWACHT des Bayerischen Roten Kreuzes im Jahre 1958/59)
Entsprechende Würdigung gab es in der hiesigen Presse
Immer wieder Geräte entwickeln und Zuschüsse beantragen
Wie schön, daß es auch Zuschüsse ohne Beantragung gab
Da musste doch Verletzter und Flugretter eher Angst bekommen
1959
7 portable Funkgeräte beim Bergwachtabschnitt Allgäu
Die Funkgeräte verfügen über 1,5 Watt Sendeleistung. Ferner existiert eine Feststation mit 15 Watt und Funk-Draht-Vermittlung. Mit Hilfe der Funk-Draht-Vermittlung ist es möglich, die Funkgespräche vom Berg direkt in das öffentliche Fernsprechnetz zu verbinden.
Das aufgebaute Fernsprechnetz hat sich bereits ausgezeichnet bewährt. Mit Teleport-V-Geräten sind die Bereitschaften Hindelang, Immenstadt, Sonthofen und Oberstdorf ausgestattet. Oberstdorf verfügt neben zwei transportablen Geräten auch über eine Feststation mit Funk-Draht-Vermittlung, wobei eine Zusammenarbeit den genannten Bereitschaften bei größeren Rettungsaktionen gewährleistet ist.
(„Die Bergrettung in Bayern“, Band II, S. 120)
In die "Kommunikation" kommt Bewegung
Der Höfatsposten bezieht wieder sein Quartier an der Gufel
Die Kurverwaltung würdigt die Arbeit der Bergwachtbereitschaft Oberstdorf
Echte Kameradschaft
1960
40 Jahre Bergwacht, Feierlichkeiten am 02./03. Juli 1960, München
„Was bei den Berichten über die 40-Jahr-Feier viele Menschen in Erstaunen setzte, war die Tatsache, dass die mehr als 3.000 Bergwachtmänner ihren verantwortungsvollen Dienst ehrenamtlich ausüben, ohne jedes Entgelt, dass sie also Idealisten sind in des Wortes vollster Bedeutung.“
Neben den vielen Ehrengästen, waren von staatlicher Seite vertreten:
Ministerpräsident Dr. Hans Erhard
Staatsminister Dr. Goppel
Regierungspräsident Dr. Mang
Oberbürgermeister der Stadt München, Dr. Vogel
Erzbischof Kardinal Dr. Wendel
Oberkirchenrat Dr. Riedel
Präsident der IKAR, Dr. Campell
Dr. Campell betonte in seiner Ansprache besonders die Verdienste, die sich die Bergwacht bei der Entwicklung der Rettungsgeräte erworben hat und die sie weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt machte. Ludwig Gramminger zeiget Lichtbilder, die einen Überblick über die Entwicklung des Rettungswesens in vierzig Jahren gaben.
Das Sprechfunkgerät
Ein unentbehrlicher Helfer im Bergwacht-Rettungsdienst
Auszugsweise ein Bericht des Oberstdorfer Bereitschaftsleiters Günther Math:
„Wenn man mit der modernen Zeit und Technik, die sich auch im Rettungs- und Naturschutzdienst der Bergwacht bemerkbar macht, Schritt halten will, müssen auch die Rettungsgeräte auf dem neuesten Stand sein. Seit etwa zwei Jahren gehört dazu das Funkgerät.“ Weitere Ausführungen galten der Robustheit eines Funkgerätes und weiter:
„Der Bergwacht-Abschnitt Allgäu verfügt heute über 7 portable Geräte mit je 1,5 Watt Sendeleistung sowie über eine Feststation mit 15 Watt und Funk-Draht-Vermittlung. Mit Hilfe der Funk-Draht-Vermittlung ist es möglich, die Funkgespräche vom Berg direkt in das öffentliche Fernsprechnetz zu verbinden. Die Bereitschaften Hindelang, Immenstadt, Sonthofen und Oberstdorf, welche im Besitz der beweglichen Geräte sind, haben im Jahr 1960 ihre planmäßigen Rettungs- und Naturschutzstreifen als Funkstreifen durchgeführt.
Die Feststation steht in Oberstdorf und ist jedes Wochenende von Samstag mittags, 13 Uhr bis Sonntag 21 Uhr in Betrieb. Während der Edelweißblüte ist die Feststation auch an Werktagen für die Naturschutzfunkstreifen und –Posten empfangsbereit“. Weiter werden die Vorteile der Funkstreifen an den Wochenenden auf den Hochgebirgshütten dargestellt und weiter heißt es:
„Wir haben in den vergangenen zwei Jahren mit unseren Funkgeräten die besten Erfahrungen gemacht. Im vergangenen Herbst hatten wir z.B. eine große Vermisstensuche. Ein junger Bergsteiger war spurlos verschwunden. Nur den Funkgeräten war es zu verdanken, dass wie nicht tagelang im ganzen Oberstdorfer und Hindelanger Gebiet mit vielen Männern vergeblich suchen mussten“.
(DIE BERGWACHT des Bayerischen Roten Kreuzes im Jahre 1960)